Geschlossene Fondsbeteiligungen (häufig Kommanditanteile an GmbH & Co. KG oder ähnlichen Vehikeln) sind für Erben oft ein Buch mit sieben Siegeln: Illiquide, schwer zu bewerten und mit Verbindlichkeiten oder Nachschusspflichten belastet. Zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) aus 2024 geben Erben, Testamentsvollstreckern und Nachlassverwaltern nun wichtige Orientierung, wie mit solchen Beteiligungen verfahren werden darf und welche Rechte und Pflichten bestehen insbesondere wenn ein Verkauf angedacht ist.

Kurzfassung der wichtigsten Entscheidungen

  • Mit Beschluss vom 12. März 2024 (II ZB 4/23) stellte der BGH klar, dass ein durch Sonderrechtsnachfolge (z. B. Abtretung, Zuwendung) erworbener Kommanditanteil der dauerhaften Testamentsvollstreckung unterliegen kann und zwar auch dann, wenn der Erbe bereits Gesellschafter war. Praktische Folge: Testamentsvollstrecker behalten Befugnisse über die Verfügungen und damit auch über Veräußerungen des Anteils, sofern der Gesellschaftsvertrag dies zulässt oder die Anordnung entsprechend erging.
  • In einem weiteren Urteil vom 26. Juni 2024 (IV ZR 288/22) hat der BGH zur Pflichtenlage des Vorerben Stellung genommen: Dispositionen des Vorerben (etwa Veräußerungen) sind nur zulässig, soweit sie der ordnungsmäßigen Verwaltung dienen; die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt der Vorerbe und bei Pflichtverletzungen können Schadensersatzansprüche des Nacherben entstehen. Für die Praxis heißt das: bloße Liquiditätsbeschaffung ist nicht automatisch ein legitimer Veräußerungsgrund.

Was heißt das konkret für Erben, Testamentsvollstrecker und Veräußerer?

  1. Prüfung des Gesellschaftsvertrags und der Testamentsanordnung
    Vor einem Verkauf muss geprüft werden, ob eine Testamentsvollstreckung angeordnet ist oder der Gesellschaftsvertrag Verfügungsbeschränkungen vorsieht. Liegt Dauertestamentsvollstreckung vor, kann der Testamentsvollstrecker Verfügungen kontrollieren oder selbst vornehmen.
  2. Vorerbe vs. Nacherbe — besondere Sorgfaltspflicht
    Wenn Vorerbe Rechte über den Anteil hat, gilt die Pflicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung. Verkäufe, die über den Rahmen der Verwaltung hinausgehen oder die Substanz beeinträchtigen, sind riskant und können Schadensersatzforderungen nach sich ziehen. Daher unbedingt dokumentieren, warum ein Verkauf im Sinne einer ordnungsmäßigen Verwaltung liegt (z. B. Vermeidung von Verlusten, Erhalt von Liquidität für Nachlassverbindlichkeiten).
  3. Bewertung & Veräußerungswege
    Geschlossene Fonds sind illiquide; ein marktgerechter Preis ist nicht trivial. Neben privaten Zweitmarktplattformen oder Maklern (Fondsbörsen, spezialisierte Zweitmarktanbieter) kommt auch die Verhandlung mit der Fondsgesellschaft bzw. Mitgesellschaftern in Betracht. Hierbei sind realistische Gutachten/Bewertungen sinnvoll, um Anfechtungen der Erben oder des Nacherben vorzubeugen.
  4. Haftungs- und Prospekthaftungsfragen
    Alte Prospektfehler oder unzureichende Beratung können Rückabwicklungs- oder Schadensersatzansprüche gegen Gründungskommanditisten oder Vermittler begründen — diese Ansprüche können für Erben ein Hebel sein, um den Wert der Beteiligung zu verbessern oder die Verbindlichkeiten zu reduzieren, bevor verkauft wird.
  5. Steuer- und Nachlassrechtliche Aspekte
    Verkaufserlöse sind im Nachlass zu berücksichtigen; Erbschaftsteuerliche Bewertungen (Ertragswert, Substanzwert) und mögliche Spekulations- bzw. Veräußerungsgewinne sind steuerlich zu prüfen. In komplexen Fällen gehört ein Steuerberater an den Tisch. (Allgemeine Hinweise; individuelle Beratung unerlässlich.)

Praxisleitfaden: So gehen Sie sicher vor

  1. Sofortige Bestandsaufnahme: Gesellschaftsvertrag, Prospekt, letzte Jahresabschlüsse, Verfügungen des Erblassers, etwaige Testamentsvollstrecker-Anordnungen zusammenstellen.
  2. Rechtliche Würdigung: Prüfen, ob Dauertestamentsvollstreckung besteht oder Vorerbenrechte vorliegen (BGH 12.3.2024 und 26.6.2024 als richtungsweisend).
  3. Bewertung einholen: Unabhängiges Gutachten (Bewertungs- oder Marktwert) erstellen lassen — wichtig für Nachweis, dass ein Verkauf marktgerecht ist.
  4. Veräußerungsstrategie wählen: Zweitmarkt, Direktverkauf an Mitgesellschafter/ Fondsgesellschaft, Aushandeln von Rückkaufoptionen prüfen.
  5. Dokumentation & Kommunikation: Entscheidungen und Gründe ausführlich dokumentieren — insbesondere wenn ein Vorerbe verkauft: Nachweis, dass Verkauf der ordnungsgemäßen Verwaltung diente. Das reduziert das Risiko späterer Schadensersatzklagen.

Fazit — mehr Rechtssicherheit durch die BGH-Rechtsprechung, aber keine Patentlösung

Die BGH-Entscheidungen von 12.03.2024 (II ZB 4/23) und 26.06.2024 (IV ZR 288/22) schärfen die Anforderungen an Verfügungen über Gesellschaftsanteile im Erbfall: Testamentsvollstreckung kann auch Kommanditanteile erfassen, und Vorerben tragen die Beweislast dafür, dass Verfügungen zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehörten. Das stärkt Rechtsklarheit — zugleich zeigen die Urteile: bei Verkäufen geschlossener Fondsbeteiligungen sind sorgfältige rechtliche, steuerliche und wirtschaftliche Vorbereitungen unverzichtbar.

Wenn Sie Anteile an einem Fonds besitzen, einen Fonds geerbt haben oder einen Fonds verkaufen möchten, schreiben Sie uns gerne an oder rufen Sie an.

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